Erlesene Kostbarkeiten |
Hintergrundmusik: Claire de Lune (Claude Debussy)
Desiderata
(Wünschenswertes) |
Go placidly amid the noise and haste and remember what peace there may be in silence. As far as possible without surrender be on good terms with all persons. Speak your truth quietly and clearly; and listen to others, even the dull and ignorant, they too have their story. |
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Gehe gelassen inmitten des Lärms und der Eile und besinne dich, was für einen Frieden die Stille bergen kann. Trachte nach möglichst guter Beziehung zu allen Menschen, ohne dich selbst dabei zu verlieren. Sprich deine Wahrheit ruhig und klar aus; und höre anderen zu, sogar den Geistlosen und Unwissenden, auch sie haben ihre Geschichte. |
Avoid loud and aggressive persons, they are vexations to the spirit. If you compare yourself with others, you may become vain and bitter; for always there will be greater and lesser persons than yourself. Enjoy your achievements as well as your plans. |
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Meide laute und aggressive Menschen, sie sind eine Qual für den Geist. Wenn du dich mit anderen vergleichst, kannst du bitter werden und dir nichtig vorkommen; denn immer wird es jemanden geben, größer oder geringer als du. Erfreue dich an dem Erreichten genau so wie an deinen Plänen. |
Keep interested in your own career, however humble, it is a real possession in the changing fortunes of time. Exercise caution in your business affairs; for the world is full of trickery. But let this not blind you to what virtue there is; many persons strive for high ideals; and everywhere life is full of heroism. |
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Sorge für deinen eigenen Werdegang, wie bescheiden er auch sei, er ist ein echter Besitz im Wandel der Zeit. Sei behutsam in deinen geschäftlichen Angelegenheiten, denn die Welt ist voller Betrug. Aber lass dich davon nicht blenden, es gibt auch reichlich Tugend; viele streben nach hohen Idealen; und überall ist das Leben voller Heldentum. |
Be yourself. Especially, do not feign affection. Neither be cynical about love; for in the face of all aridity and disenchantment it is perennial as the grass. |
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Sei du selbst. Besonders sollst du keine Gefühle vortäuschen. Ebensowenig sollst du der Liebe spotten; denn angesichts der ganzen Dürre und Enttäuschung ist sie doch beständig wie das Gras. |
Take kindly the counsel of the years, gracefully surrendering the things of youth. Nurture strength of spirit to shield you in face of sudden misfortune. But do not distress yourself with imaginings. Many fears are born of fatigue and loneliness. |
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Sei offen für den Rat der Jahre, die Dinge der Jugend lass in Würde los. Stärke die Kraft des Geistes, damit sie dich im unerwarteten Unglück schütze. Aber quäle dich nicht mit Vorstellungen. Viele Ängste sind die Kinder von Erschöpfung und Einsamkeit. |
Beyond a wholesome discipline, be gentle with yourself. You are a child of the universe, no less than the trees and the stars; you have a right to be here. And whether or not it is clear to you, no doubt the universe is unfolding as it should. |
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Neben einem gesunden Maß an Disziplin sei gütig dir selbst gegenüber. Du bist ein Kind des Universums, nicht geringer als die Bäume und die Sterne; du hast ein Recht darauf, hier zu sein. Und ob es dir nun bewusst ist oder nicht, das Universum entfaltet sich zweifellos gemäß einer Vorsehung. |
Therefore be at peace with God, whatever you conceive Him to be, and whatever your labors and aspirations, in the noisy confusion of life keep peace with your soul. With all its sham, drudgery and broken dreams, it is still a beautiful world. |
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Darum sei in Frieden mit Gott, wie auch immer du ihn dir vorstellen magst. Und bewahre dir trotz aller Anstrengungen und Bestrebungen den Frieden deiner Seele im lauten Durcheinander des Lebens. Trotz aller Täuschung, Mühsal und zerstörter Träume ist die Welt doch wunderbar. |
Be careful. Strive to be happy. |
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Sei achtsam. Strebe danach, glücklich zu sein. |
Übersetzung: © Hubert Hirsch Poetische Tagträume
Um die Entstehung dieses Textes rankt sich die Legende, er stamme von einem unbekannten Autor aus dem Jahre 1692 und sei in der Old St. Paul's Church, Baltimore (im US-Bundesstaat Maryland) auf einem Stein gefunden worden. Tatsächlich hat der deutsch-amerikanische Schriftsteller Max Ehrmann in Terre Haute, Indiana, die beeindruckenden Zeilen 1927 ohne Titel verfasst. In "The Poems of Max Ehrmann" wurden sie aber erst drei Jahre nach seinem Tod im Jahr 1948 von seiner Witwe veröffentlicht. 1956 wurden sie in ein Büchlein ("The Desiderata Booklet") der Old St. Paul's Church (gegründet 1692) aufgenommen. Les Crane wurde 1971 für eine gesprochene Version des Textes ein Grammy Award verliehen. |
Willkommen
in den Bergen |
Welcome to the mountains |
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Willkommen in den Bergen |
I am sure they are as glad to see you as you are in awe in the face of them. |
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Ich bin sicher, ihre Freude dich zu sehen ist genauso groß, wie deine Ehrfurcht ihnen gegenüber. |
There is in the mountains a noble question that asks not for an answer; the mountain air breathes you in and breathes you out in silence. The distant valley underneath stares at you in solitude and inevitability reveals to you that you are tiny, humble, nearly invisible, clearly visible nonetheless. |
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In den Bergen stellt sich eine erhabene Frage, die keiner Antwort bedarf; still atmet die Bergluft dich ein und aus. Einsam bestaunt dich das ferne Tal unter dir und unvermeidlich offenbart sich, dass du winzig klein, fast unsichtbar und dennoch klar erkennbar bist. |
And in the mountain breath and valley stare there is a penetrating silence that seeps into the tiniest, most subtile fibres of your being; you are alone surrounded with the majesty of ancient trees and age-old rocks, the quietude of morning insects and the evening birds, and you can hear the mountain-earth breathe in and out. Again. Again. Deeper every time. |
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Im Hauch des Berges und im Blick des Tales liegt eine durchdringende Stille, die in die winzig feinsten Fasern deines Seins sickert; du bist allein, umgeben von der Majestät uralter Bäume und vorzeitlicher Felsen, dem Frieden von Morgeninsekten und Abendvögeln und du kannst den Bergboden ein- und ausatmen hören. Wieder. Und wieder. Jedesmal tiefer. |
There is a wonder in the Himalayas, a rare and baffling touch of elegance; sometimes a cloud is caught between two mountains ranges and it is sucked in and up the mountain with incredible speed. You can see it rushing up towards you unstoppable, unleashed, unobstucted by the trees and people, and as it sweeps through, through your altitude, there is an enveloping feeling of humidity and calm, your lungs can feel the vapors and your skin welcomes a soft invisible touch. Your eyes are mist. Your mind is clarity and than it passes and you realize: |
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Der Himalaya birgt ein Wunder, einen seltenen und rätselhaften Hauch von Eleganz; manchmal verfängt sich eine Wolke zwischen zwei Bergrücken, die dann mit unglaublicher Geschwindigkeit hochgesaugt wird. Sie rast unaufhaltsam und entfesselt auf dich zu, ungehindert von Bäumen und Menschen, und wenn sie so auf deiner Höhe durchzieht, umgibt dich ein Gefühl der Feuchtigkeit und Ruhe, der Dunst ist in den Lungen spürbar und auf die Haut legt sich eine angenehm weiche, unsichtbare Berührung. Dein Blick trübt sich. Dein Geist klärt sich, dann ist es vorbei und du erkennst: |
You've just made love with a cloud, with a mountain. |
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Du hast dich gerade mit einer Wolke, mit einem Berg in Liebe vereinigt. |
An old zen master once said about a mountain: |
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Ein alter Zen-Meister erzählte einmal von einem Berg: |
Before the journey a mountain was a mountain and a river was a river. During the journey the mountain was no longer a mountain and the river was no longer a river. And now that the journey is over a mountain is a mountain and a river is a river. |
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Vor der Reise war der Berg ein Berg und der Fluss ein Fluss. Während der Reise war der Berg nicht länger ein Berg und der Fluss nicht länger ein Fluss. Und jetzt da die Reise vorüber ist, ist der Berg wieder ein Berg und der Fluss wieder ein Fluss. |
Listen to the mountains, they speak. |
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Lausche den Bergen, sie sprechen. |
Übersetzung: © Hubert Hirsch Poetische Tagträume
© Hubert Hirsch - Poetische Tagträume