Das Grundgesetz
vom Niedergang |
Arbeit ruiniert die Welt. |
Christian Schütze
Das
Grundgesetz vom Niedergang Von aller aufgewendeten Arbeit, aller verbrauchten Energie, von aller umgewandelten Materie findet sich immer nur ein Teil im Ergebnis oder im Produkt wieder, ein anderer Teil aber geht als Abfall, als zerstreute, nutzlose, nicht rückholbare Energie und Materie verloren. Arbeit ruiniert die Welt, macht sie ärmer, vermehrt das Wertlose. Der unaufhaltsame Prozess des Niedergangs zum Wertlosen muss bei Strafe der Selbstzerstörung verlangsamt werden. "Ein unorthodoxer Nationalökonom - wie ich einer bin - würde sagen, dass das, was in den ökonomischen Prozess aufgenommen wird, aus wertvollen natürlichen Rohstoffen besteht, das was aus ihm entlassen wird, aus wertlosem Abfall." (Nicolas Georgescu-Roegen) Wirtschaftlicher Fortschritt besteht darin, dass immer mehr Maschinen entstehen, mit deren Hilfe Rohstoffe in Abfall, Energie in Abwärme verwandelt werden. Durch die Brille der Thermodynamik gesehen ist Wirtschaftswachstum nichts anderes als ein Wettlauf um die Reste von wertvoller niedriger Entropie, damit diese so schnell wie möglich in hohe Entropie, in Wertloses umgesetzt werden können. (Anmerkung: Entropie bezeichnet in der Wärmelehre die Abwesenheit von nutzbarer Energie) "Arbeit ist der Vater des Wohlstandes, die Natur aber seine Mutter." (Sir William Petty) Die Mode ist jene Lebensäußerung, die über das, was man Grundbedürfnisse nennt, am weitesten hinausgeht, absichtsvolle Abkehr vom Notwendigen hin zum Reizvollen, die gewaltsame Entwertung der Dinge durch willkürliche Änderung des Paradigmas. Das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg war kein Wunder, sondern eine große Anleihe bei der Umwelt. Sie muss jetzt zurückgezahlt werden. Neben erwünschten Produkten entsteht nach dem Zweiten Hauptsatz (Anmerkung: der Wärmelehre) immer ein Vielfaches an Unerwünschtem, in der Chemie das Fünffache. Eine Verdoppelung der Produktion führt also zur Verzehnfachung des Abfalls. Vier Milliarden Jahre - so viel Zeit zu Versuch und Irrtum wie die Natur hatte, haben wir mit unserer Technik nicht. Sie wird niemals eine positive Energiebilanz zustande bringen. Wir müssen die Natur pflegen, weil sie vor allem den Niedergang der Welt bremsen kann. Die Menschen leben von der Ausbeutung der Natur, und ihr Wohlstand ist erkauft mit dem Schwinden von Energievorräten, Rohstofflagern und Bodenfruchtbarkeit und mit dem Wachsen der Müllhalden, der Giftdeponien und der Erosion. Ist das so schwer zu erkennen? Die Zeit entwertet die Welt langsam, die Eile beschleunigt die Entwertung. Mag sein, dass dieser Wertverlust durch die "Wertschöpfung" der Evolution aufgewogen oder überwogen wird. Die für traditionelle Ökonomen so beruhigende Tatsache, dass an Materie nichts verloren gehen kann, hat eben leider auch die Kehrseite, dass Unerwünschtes nicht aus der Welt zu schaffen ist. Unser gegenwärtiges Wirtschaften kann zu dem verheißenen Wohlstand für alle, der ständig wächst, nicht führen. Die gebräuchlichen Begriffe der Nationalökonomie müssen neu überdacht werden. Repräsentiert die Geldmenge vielleicht den Pegelstand des Wertlosen? Um welchen hohen Preis schafft Arbeit heute sogenannte Werte? Durch Arbeit beschleunigt der Mensch die unvermeidliche natürliche Entwertung der Welt in der Zeit. Menschliches Wirtschaften ist immer ein störendes Eingreifen in die Natur und richtet Umweltschaden an. Der Zweite Hauptsatz legt das Programm fest, nach dem die Rolltreppe um so schneller abwärts läuft, je schneller wir hinaufzurennen versuchen. Die traurige Wissenschaft hat Thomas Carlyle die Nationalökonomie genannt. Zur Menschenwürde gehört eben nicht nur der Wohlstand, sondern auch die Erkenntnis der Wahrheit.
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© Hubert Hirsch - Poetische Tagträume