Gedichte aus "Mein Lied" von Peter Rosegger:

 

 

Zum Wegweiser auf der kosmischen Reise

 

Wünsche zum neuen Jahr

Ein bisschen mehr Friede und weniger Streit
Ein bisschen mehr Güte und weniger Neid
Ein bisschen mehr Liebe und weniger Hass
Ein bisschen mehr Wahrheit - das wäre was

Statt so viel Unrast ein bisschen mehr Ruh
Statt immer nur Ich ein bisschen mehr Du
Statt Angst und Hemmung ein bisschen mehr Mut
Und Kraft zum Handeln - das wäre gut

In Trübsal und Dunkel ein bisschen mehr Licht
Kein quälend Verlangen, ein bisschen Verzicht
Und viel mehr Blumen, solange es geht
Nicht erst an Gräbern - da blühn sie zu spät

Ziel sei der Friede des Herzens
Besseres weiß ich nicht

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Därf ih 's Dirndl liab'n

Ih bin jüngst verwichn
Hin zan Pforra gschlichn:
"Därf ih 's Dirndl liab'n?"
"Untasteh dih nit, ba meina Seel,
Wonst as Dirndl liabst, so kimst in d Höll!"

Bin ih vull Valonga
Zu da Muada gonga:
"Därf ih 's Dirndl liab'n?"
"O du feiner Knob, es is noh zfrua,
Wort bis d zeiti wirst, mei liaba Bua!"

Woar in großn Nötn,
Hon ih n Vodan beten:
"Därf ih 's Dirndl liab'n?"
"Duners Schlagl!" schreit er in sein Zurn,
Willst mein Steckn kostn, konst es tuan!"

Wos is onzufonga?
Bin zan Herrgott gonga:
"Därf ih 's Dirndl liab'n?"
"Ei jo freilih", sogt er und hot glocht,
"Wegn an Büaberl hon ih s Dirndl gmocht!"

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Auch der andre, der bist du

Was die Erde mir geliehen,
Fordert sie schon jetzt zurück.
Naht sich, mir vom Leib zu ziehen
Sanft entwindend Stück für Stück.

Um so mehr, als ich gelitten,
Um so schöner ward die Welt.
Seltsam, dass, was ich erstritten,
Sachte aus der Hand mir fällt.

Um so leichter, als ich werde,
Um so schwerer trag' ich mich.
Kannst du mich, du feuchte Erde,
Nicht entbehren? frag' ich dich.

"Nein, ich kann dich nicht entbehren,
Muss aus dir ein' andern bauen,
Muss aus dir ein' andern nähren,
Soll sich auch die Welt anschauen.

Doch getröste dich in Ruh'.
Auch der andre, der bist du."

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Ein Freund ging nach Amerika

Ein Freund ging nach Amerika
Und schrieb mir vor einigen Lenzen:
Schicke mir Rosen aus Steiermark,
Ich hab' eine Braut zu bekränzen!

Und als vergangen war ein Jahr,
Da kam ein Brieflein gelaufen:
Schicke mir Wasser aus Steiermark,
Ich hab' ein Kindlein zu taufen!

Und wieder ein Jahr, da wollte der Freund,
Ach, noch was anderes haben:
Schicke mir Erde aus Steiermark,
Muss Weib und Kind begraben!

Und so ersehnte der arme Mann
Auf fernsten, fremden Wegen
Für höchste Freud', für tiefstes Leid
Des Heimatlandes Segen.

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Volkslied

Es springt ein guldener Bronnen
Aus heißem Herzen auf,
Und spiegelt in der Sonnen
Des Menschen Lebenslauf.

Es steigt ein ewiges Klingen
Zu Gottes Himmel an,
Das Höchste muss man singen,
Weil man's nicht sagen kann.

Kein Adler mag sich heben
So hoch zum Himmelszelt,
Als deine Lust am Leben
Im Jauchzen aufwärts gellt.

So tief legt sich der Müde
Zur letzten kühlen Rast,
Als du dein Leid im Liede
Zur Ruh' gebettet hast.

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Stimmung

Das Schönste, was im Innern ich empfunden,
Das ist so rein und zart, lässt sich kaum denken,
Und will ich mich im Sinnen, traun, versenken,
So ist mir das Gefühlte schnöd verschwunden.

Und was es ist, das mir so zart entsprossen?
Ich weiß es nicht und kann es nicht enthüllen;
Der Seele reinster Teil nur kann es fühlen,
Und tief in meinem Herzen liegt's verschlossen.

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Das Geheimnis

Im Walde Frieden. Zwei Hummeln läuten.
Der Tag ist schon neigend.
Da nahen Gestalten aus fernen Zeiten,
Sie grüßen mich schweigend,
Die alten Bekannten,
Sie winken mir stumm ein Geheimnis zu
Und schwanken vorbei.
... Ich hab' nichts verstanden.

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Leute gibt es allerlei

Leute gibt es allerlei
Auf der weiten Gotteswelt.
Wem die Sache nicht gefällt,
Wer da ausmarschiert, um jeden,
So nicht sein ist, zu befehden,
Der wird nimmermehr auf Erden
Mit der Fehde fertig werden.

Juden, Slaven, Atheisten,
Welsche, Philosophen, Christen,
Japanesen, Deutsche, Heiden,
Und wie noch die Massen scheiden,
Kasten, Sekten, Nationen,
Die in Gottes Licht sich sonnen,
Alles rollet hin und her
Wie der Wellenschwall im Meer.

Wie die Wässer und die Winde,
Stürmisch hier und da gelinde,
Ewig um den Erdball kreisen,
So in den Naturgeleisen
Wogt die Menschheit hin und wieder;
Schranken, die du heute aufstellst,
Brechen morgen krachend nieder.

Güter, die durch Krieg errungen,
Frieden, so durch Krieg erzwungen,
Reifen neuerdings die Saaten
Aus zu neuen Schreckenstaten.
Nicht einander jagen, schlagen,
Sondern mit Geduld ertragen
Nach dem Rate der Natur,
Ist das Omega und Alpha
Aller Bildung und Kultur.

Wer da ausmarschiert, um jeden
Fremdgesinnten zu befehden,
Der wird nimmermehr auf Erden
Mit der Fehde fertigwerden.
Wär' der letzte Feind zertreten,
Müsste er sich selber töten
Als den Rest auf dem Planeten.

(Schluss später überarbeitet:)

Wär' der letzte Feind zertreten,
Stünd' allein er am Planeten!

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Mein Ideal

Ein schöneres Ideal hat noch niemand geträumt,
Als meine sehnende Seele es hegt,
Ich seh' ein Paradies auf Erden erstehn,
Das wieder die
Freude, die Liebe trägt.

Ich sehe die Völker des Erdenballs
Im Glanze der glorreichen Einheit stehn,
Ich seh' auf den Zinnen der Treue, des Rechts,
Der Bildung, die Fahne des Friedens wehn.

Ich seh' nur die Waffe des Geistes gezückt
Zum Trotze dem Mordblei, zum Trotze dem Schwert;
Ich sehe das Eisen dem Baue des Felds,
Der sausenden Werkstatt zugekehrt.

Ich sehe die Frau am häuslichen Herd,
Keine Sklavin der Willkür, der Mode mehr.
Eine Priesterin, traun, der wärmenden Glut,
An der Liebe Altar, des Hauses Ehr'.

Ich sehe den Mann, besiegend das Tier,
Das lauernd in seinem Busen steht,
Ich seh' ihn aufrecht, gütig und stolz
Bewusst sich der göttlichen Majestät.

Ich ahne - ich sehe die herrliche Zeit,
Ich sehe zur Wahrheit die Schönheit sich reihn,
Die Völker in Liebe verschlungen und frei,
Ich sehe die Menschen -
Menschen sein!

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Wilder Waldespsalm

Ihr Häupter in goldiger Morgenglut
O blicket aus Himmelshöh' nieder
Zum Sänger, der sinnend im Moose ruht,
Euch feiernd durch harmlose Lieder.
Wie lodert dort oben der Gletscherschein,
Wie flüstert im Schatten die Quelle:
O schenkt mir von eurer Herrlichkeit ein,
Bis trunken die sehnende Seele.

Als einst ich verloren die ganze Welt,
Den Glauben, die Hoffnung, die Liebe,
Und als mir die friedlichen Freuden vergällt
Im wüsten Weltgetriebe;
Und als ich mein junges Leben verprasst,
Weil es ohne Reiz mir und Wert war,
Und als ich den Mann auf der Straße gehasst,
Weil er wie ich auf der Erd' war.

Da zog ich hinaus wie ein dachloser Hund,
Mich selbst und das Dasein verfluchend,
Da schritt ich verloren, im Waldesgrund
Einen lustigen Baumast mir suchend.
Doch siehe, da war kein Ast mir recht,
Der war mir zu hoch, der zu nieder,
Ein dritter zu gut, ein vierter zu schlecht,
Ein fünfter mir anders zuwider.

Und ein jeder tat so geheimnisvoll
Und flüsterte leis mit dem Nachbar;
Sie machten sich über mich lustig wohl,
Dass ich so elend und schwach war?
O nein, nur die Welt verspotteten sie
Und schmiedeten eine Verschwörung;
Der Wald und die Welt, die vertragen sich nie,
Ob letzterer tiefen Betörung.

Drum sagten die Bäume: 's wär alles wohl recht,
Die Vorzeit, die Zukunft, das Heute,
Selbst der Himmel ist gut und die Erde nicht schlecht,
Doch die Leute - die argen Leute!
Die Leute, die liegen sich alle im Haar
Und raufen, dass es ein Skandal ist,
Und spielen in Übermut mit der Gefahr
Solange, bis jeder am Fall ist.

Und wenn sie zu Füßen den Abgrund sehn,
Dann schwindeln sie fluchend und taumeln,
Ja, dann erst will mancher zum Walde gehn,
Und - dass er nicht fallen kann - baumeln.
Oh, kämet ihr früher zu uns in den Wald
Mit jugendlich heiteren Sinnen,
Ihr wäret mit "Siebzig" noch immer nicht alt,
Und wüsstet gar zärtlich zu minnen!

So sagten die Bäume und flüsterten fort,
Erzählten sich sondre Geschichten;
Ich habe verstanden ein jegliches Wort
Und weiß mich danach nun zu richten.
Und kriegt mir die Fröhlichkeit jäh einen Sprung,
So kratze ich Waldharz und leime,
Und sprudle und jauchze und bin wieder jung,
Und schmied' ein paar hinkende Reime.

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Klingende Funken

Für das, was uns am höchsten steht,
Für das, was uns am nächsten geht,
Ward uns kein Lied zu eigen.
Da hat man nur ein fromm Gebet
Und - Schweigen.


Ich bin ein Kind
Und bleib' ein Kind,
Weil ich nur so
Den Himmel find'.


Was ich aus Trutz vollbracht,
Wuchs voll Pracht über Nacht
Und ward - verregnet.
Was ich aus Lieb' gesät,
Keimte stet, reifte spät
Und ist gesegnet.


O Wahrheitssucher, frage nicht:
Wo ist sie?
Du hast sie nicht, die kriegst sie nicht,
Du bist sie.

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Unfassbar

Nahe ist Werden und Leben und Sterben beisammen,
Früher die endlose Zeit - später die endlose Zeit.
Kurz vor den Tagen, in welchen ich fühle und denke,
War ich ein formloses Nichts, war es von Ewigkeit her.
Kurz nach den Tagen, in welchen ich walte und webe,
Bin ich ein formloses Nichts, werd' es in Ewigkeit sein.
Wie er doch sein kann, der winzige Punkt, wo ich stehe,
Wie es nur möglich, denselben zu fühlen just jetzt?
War es nicht immer der gleiche, weltenumgaukelte Schwerpunkt?
Wusst' ich's nicht ewig, fühl' ich's nicht ewig: Ich bin?

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Letzter Wunsch

Was wäre wohl mein letzter Wunsch,
Wenn ich dereinst zur Grube fahr'?
Aus lichter, kühler Bergeshöh'
Eine traute, einsam stille Bahr'.

Auf jener Höh', wo ich als Kind
Gehört den ersten Lerchenschlag,
Gesehn den reinen Sonnenstern
An einem süßen Maientag.

Doch jenes Kreuz, das ewig klagt
Die Menschheit ihres Frevels an,
Mir pflanzt es nicht, weil ich am Pfahl,
An dem er litt, nicht rasten kann!

Mir pflanzet einen jungen Baum,
Der frisch und frei gen Himmel steigt,
Und der, wenn einst die Menschheit reif,
Zu ihr sein Haupt in Freude neigt.

Vielleicht kommt noch ein Zimmermann,
Der ihn zu einer Wiege schlägt,
Vielleicht kommt eine Mutter, die
Ihr Kindlein in die Wiege legt.

Ihr Kind, das als des Menschen Sohn
Die Welt erlöst ein zweites Mal,
Und nicht dafür in Hass und Hohn
Erhöhet wird zum Marterpfahl.

Denn nicht, dass mein Erlöser starb,
Ist meines dunkeln Grabes Licht,
Doch dass er lebt und ewig lebt,
Ist meiner Seele Zuversicht.

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Meine Lust ist leben

Gute Nacht, ihr Freunde, ach wie lebt' ich gern!
Dass die Welt so schön ist, dankt' ich Gott dem Herrn.
Dass die Welt so schön ist, tut mir bitter weh,
Wenn ich schlafen geh'!

Ach, wie möcht' ich einmal noch von Bergeshöh'n
Meine süße Heimat sonnbeleuchtet seh'n!
Und den Herrn umarmen in des Himmels Näh',
Eh' ich schlafen geh'.

Wie man abends Kinder ernst zu Bette ruft,
Führt der Herr mich schweigend in die dunkle Gruft.
Meine Lust ist leben, doch sein Will' gescheh',
Dass ich schlafen geh'.

 

Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

 

 

Auf dem Wege zum Licht

Auf dem Wege zum Licht lasset keinen zurück.
Führt jeden mit euch, der vergessen vom Glück.
Dem die Ampel verlosch, dem die Glut nie gebrannt,
Das Kind, das den leitenden Stern nie gekannt.

Sie taumeln in Nacht und Verlassenheit. -
Ihr begnadeten Pilger der Ewigkeit,
Führt alle mit euch in Liebe und Pflicht.
Lasset keinen zurück auf dem Wege zum Licht!

 

 

Zur Rosegger-Hauptseite

        Zum Inhaltsverzeichnis dieser Seite

© Hubert Hirsch - Poetische Tagträume

 

 Zum Wegweiser auf der kosmischen Reise

 

Yin-Yang